am 15.12.2011 15:36 , Klicks: 22183

Farbentragend - Geschichte der Regimentskrawatten

Very british: Seit es so etwas wie eine klassische Herrenmode gibt, sind es die kühlen Inselbewohner gewesen, die der Welt gezeigt haben,was Understatement und Eleganz sind. Unaufdringliche Schnitte, dunkle Farben, nichts was blitzt oder blinkt: wo sonst kann ein Gentleman sich auf Anhieb wohlfühlen?

 

Andres als etwa die schlanken, eleganten Modelle italienischer Designer, soll der englisch geschnittene Anzug nicht etwa strahlen oder auffallen. Er sendet vielmehr die subtile Botschaft: der Träger gehört dazu. Er trägt Anzug, weil man das halt so tut, und wie auch schon sein Vater und sein Großvater Anzug getragen haben. Und in der Tat: die Schnitte ändern sich über die Jahrzehnte fast nicht, weshalb, natürlich mit entsprechenden Änderungen, auch wirklich gelegentlich hochwertige Anzüge von einer Generation an die nächste weitergegeben werden.

Dass das Ganze auch noch gut aussieht, ist ein angenehmer Nebeneffekt.

 

Sind schon Anzugstoffe und Hemd eher konservativ, drücken spätestens die Krawatten die Mentalität ihres Trägers endgültig aus. Und gerade hier hat sich eine Mode, oder besser ein Lebensgefühl, entwickelt, bei dem sich der typisch-verhaltene vorsichtige Patriotismus der Briten mit jenem Traditionsbewusstsein verbindet, dass man außerhalb jener Gefilde eher selten antrifft.

 

Die traditionellen Regimenter haben schon seit den Frühzeiten des britischen Empire nicht nur ihre eigenen Traditionen, sondern auch ihre eigenen Farben gepflegt. Diese kamen zum Beispiel in Uniformen, aber auch in Wappen und ähnlichem zum Ausdruck. Oftmals trugen aktive oder im Ruhestand befindliche Militärangehörige diese Farben schließlich auch im Alltag, um so stolz ihre Zugehörigkeit auszudrücken. Dafür war natürlich am besten das einzige Schmuckstück geeignet, das dem Mann in einer öden Welt der trockenen dunkelgrauen Anzüge noch zugestanden wurde: die Krawatte.

 

Doch nicht nur Regimenter, auch Clubs und Vereine verewigten stolz ihre Farbkombinationen auf dem Binder. Immerhin soll der Ursprung der Clubkrawatte im sportlichen Bereich liegen: Nach einem besonders spektakulär gewonnenen Wettkampf banden sich die Ruderer des Traditionsclubs Exeter kurzerhand ihre in Vereinsfarben gestreiften Hutbänder um den Hals.

 

Dem diagonalen Zuschnitt der Krawatte folgend verliefen diese Streifen traditionell ansteigend. Jedenfalls, bis die zumeist stark in Richtung Großbritannien interessierten Amerikaner die traditionellen Dekore übernahmen. Dass das den konservativen Briten sauer aufstieß, liegt auf der Hand. Denn während der Krawattenstreifen auf den Britischen Inseln meist für Mitgliedschaften und Zugehörigkeiten stand und folglich sehr bedeutsam war, wurde in den Staaten nur auf den ästhetischen Wert der Farbkombination geachtet. Nicht nur Krawattenträger, die auf einmal mit ansehen mussten, wie sich amerikanische Touristen ihre geheiligten Farben als Krawatten binden, auch die englischen Krawattenhersteller waren nicht begeistert und drohten mit einer Klage. Die amerikanischen Produzenten wie Brooks Brothers und Tripler reagierten prompt und änderten kurzerhand die Streifenrichtung, um einer urheberrechtlichen Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen.

 

Hierzulande braucht man sich üblicherweise über die tiefere Bedeutung der Farben keine großen Gedanken machen, wenn man zur gestreiften Regimentskrawatte greift. Außerdem – die klassichen Dekore wie die der der Lothians and Border Horse Yeomentry oder der Royal Queens Guard sehen einfach ausgesprochen smart aus. Zudem lassen breit gestreifte Krawatten ein weiches Gesicht markanter und männlicher wirken. Nur falls Sie in Großbritannien unterwegs sein sollten, ist eine dezent gemusterte oder einfarbige Krawatte meist die bessere Wahl. Denn Sie mögen von dem obskuren Regiment, dessen Streifen gerade im perfekten Windsorknoten Ihren Hemdkragen schmückt, noch nie etwas gehört haben. Ihr Gegenüber aber garantiert.


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